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Haushaltsrede 2022

1. Dezember 2022 – Zunächst möchte ich mich im Namen unserer Fraktion bei der Verwaltung für die besonders zeitnah zur Verfügung gestellten Haushalts-Unterlagen bedanken. So können wir als Stadträtinnen und Stadträte unserer Aufgabe gewissenhaft nachgehen. Dies gilt insbesondere für die Informationen im Stellenplan – die in der Vergangenheit vor allem von meiner Fraktion immer wieder angemahnt wurden. Hierzu ein herzliches Dankeschön an Sie, Frau Dr. Ammon, aber auch an Ihre Kolleginnen und Kollegen.

Gleichzeitig nehmen wir irritiert zur Kenntnis (wie in den Vorjahren), dass sich einige Parteien offensichtlich nicht in der Lage gesehen haben, Anträge oder Anfragen für den Haushalt zu stellen. Ist das Arbeitsverweigerung, Hilflosigkeit oder vorausseilender Gehorsam – ich weiß es nicht. Ich würde aber zumindest vermuten, dass dies nicht dem Wunsch der Wähler*innen entspricht.

Die GRÜNEN-Fraktion hingegen – das wissen die meisten Anwesenden hier aus den Vorjahren – sitzt in den Haushaltsberatungen nicht einfach ihre Zeit ab. Vielmehr haben wir erneut eine Vielzahl von Anträgen und Anfragen gestellt – nicht um ihre Zeit und Geduld zu strapazieren, sondern um unseren politischen Handlungsspielraum zu nutzen – und damit einen Beitrag zu einer noch lebenswerteren Stadt zu leisten.

Natürlich ist Quantität nicht gleichzusetzen mit Qualität. Wir haben wie in den vergangenen Jahren als einzige Fraktion versucht, einen politischen Schwerpunkt zu setzen. Und erneut liegt dieser Schwerpunkt beim Klimaschutz – ohne dabei soziale Aspekte zu vernachlässigen. Denn die Klimakatastrophe ist die größte Bedrohung des Lebens, wie wir es kennen. Und sie macht sich immer stärker auch in Fürth bemerkbar.

Genauso wichtig wie die Schwerpunktsetzung ist für uns aber auch die Frage der Gegenfinanzierung unserer Anträge. D.h. – wir fordern nicht nur, sondern wir zeigen auch Gestaltungsspielräume auf.

Dabei sind wir uns durchaus bewusst, dass in Zeiten knapper finanzieller Mittel in den städtischen Kassen ein viel zitiertes Sprichwort greift: „Wir müssen den Gürtel enger schnallen.“ Es tut weh, wenn gute Projekte verschoben werden müssen: die Sanierung von Mittelschulen, die Hornschuchpromenade, die Mobilitätsdrehscheibe am Bahnhofsvorplatz und vieles mehr. Und wir haben viele Anträge NICHT gestellt, die ebenfalls sinnvoll gewesen wären. Doch wir müssen aktuell tatsächlich auch solche Einschnitte vornehmen, die wehtun, und den „Gürtel enger schnallen“. Das wissen wir.

Aber – dieses „enger schnallen“ darf nicht in eine Rhetorik der Alternativlosigkeit münden bzw. dem politischen Handeln jede Form der Gestaltung wegnehmen. Doch genau an diesem Punkt befanden wir uns am Anfang des Jahres, als dem Stadtrat durch die Regierung von Mittelfranken im Zusammenhang mit den Stabilisierungshilfen schmerzliche Einschränkungen auferlegt wurden. Da wurde nicht einfach „ein Gürtel enger geschnallt“, sondern uns gewählten Vertreterinnen und Vertretern wurden eher „politische Handschellen“ angelegt. Viele Maßnahmen, die wir im Vorfeld gemeinsam in den Haushaltsberatungen oder politischen Gremien festgelegt und oft einstimmig beschlossen hatten, mussten dann erstmal verschoben werden und finden sich zum Teil erst jetzt wieder im Haushalt 2023 – Stichwort: Jugendparlament, Zweckentfremdungssatzung, Stellenschaffung für Wirtschafts-Förderanträge etc.

Immerhin sind 2023 keine Kürzungen vorgesehen – das freut uns vor allem im sozialen und kulturellen Bereich, auch wenn nach den Vorstellungen der GRÜNEN hier Luft nach oben wäre.

Der Krieg in der Ukraine, die blutige Unterdrückung von Protesten gegen ein frauenfeindliches Regime im Iran und Kriege in vielen anderen Ländern der Welt – all das macht Angst. Und wir spüren die unmittelbaren Auswirkungen in Form von kräftigen Preiserhöhungen jeden Tag im deutschen Alltag. Nicht nur Privatleute, auch Unternehmen, Städte, Kommunen fragen sich „Wie sollen wir das bezahlen?“ Umso wichtiger ist es in einer solchen Situation, das herauszufiltern, was wirklich wichtig, sinnvoll und nachhaltig ist. Das darf auch gern im Dialog und mit Meinungsdifferenzen in Details passieren. Das dogmatische Festhalten am plakativen Ziel einer Schwarzen Null ist dabei jedoch nicht hilfreich.

Wir dürfen uns nicht kaputtsparen. Ein ausgeglichener Haushalt KANN ja nur eine Momentaufnahme sein. Beim Blick über den Tellerrand des Haushaltsjahrs hinaus wird deutlich, dass jahrelang aufgeschobene Investitionen einfach kurzsichtig sind. Beispielsweise, wenn die Einsparung von Personal durch einen Stellendeckel kurzfristig zwar die Haushaltsausgaben beschränkt, aber langfristig zu einem enormen Investitionsstau in einem Umfeld von immer teurer werdenden Gütern und Dienstleistungen führt. Wie wir kürzlich bei der Prioritätenliste des Bauamts feststellen mussten, geht das irgendwann an die Substanz und es können nicht einmal mehr alle Pflichtaufgaben erfüllt werden. Wer planen und bauen will, braucht Personal. So einfach ist das manchmal.

Deshalb ist die vielfach geforderte „schwarze Null“ auch keineswegs ein Garant für die von Kämmerin Dr. Stefanie Ammon und Oberbürgermeister Dr. Thomas Jung gepriesene Generationengerechtigkeit. Was heißt denn Generationengerechtigkeit?

Es geht nicht nur darum, keine Schulden zu hinterlassen, sondern auch darum, nachhaltig und zukunftsfähig zu wirtschaften. Es geht um eine lebenswerte Stadt in immer heißer werdenden Sommermonaten. Darum, dass wir gute Konzepte gegen die Folgen von zunehmend auftretenden Extremwetter-Ereignissen entwickeln und finanzieren. Wenn die Schwarze Null – zumindest teilweise – nur durch einen bewusst in Kauf genommenen Investitionsstau erreicht werden kann bzw. durch einen Stellendeckel in der Verwaltung mit all seinen Konsequenzen für das bestehende Personal, dann hinterlassen wir den nächsten Generationen Schulden in Naturalien – in Form von maroden Gebäuden und immer teurer werdenden Infrastukturprojekten, die unseren Kindern und Enkel*innen dann vor die Füße fallen, wenn sie nicht mehr weiter verschoben werden können und um ein Vielfaches teurer kommen als heute. Mit Generationengerechtigkeit hat dieses vergiftete Erbe wirklich nichts mehr zu tun.

Wie soll also nach Sicht der GRÜNEN-Fraktion der Haushalt aussehen? Eigentlich ist das ganz einfach: durch Umstrukturierung und Umverteilung der Haushaltsmittel bzw. durch neue Prioritäten lassen sich viele bestehende oder neue Projekte umsetzen.

Ein Beispiel: In den 1960er und 70er Jahren galt das Ideal einer autogerechten Stadt. Dabei hat man Klimaschutz und andere Verkehrsteilnehmer*innen meist ausgeblendet. Die konkreten Auswirkungen sehen wir heute in völlig überfüllten Innenstädten und Straßen sowie in den baulich manifestierten Relikten aus dieser autogerechten Zeit – die den jetzigen Haushalt massiv belasten. Die Zirndorfer Brücke aus dem Jahr 1971 soll demnächst neu gebaut werden und wird die Stadt Fürth nach ersten Schätzungen in der MIP ca. 60 Mio Euro kosten – 60 Mio Euro, an denen sich nicht einmal der Landkreis Fürth beteiligen will, obwohl er der größte Nutznießer dieser Brücke ist. In Sichtweite zur Zirndorfer Brücke befindet sich die Hafenbrücke -ebenfalls ein Ergebnis der autogerechten Stadt aus dem Jahr 1970. Und auch diese Brücke muss über kurz oder lang erneuert werden. Alleine diese beiden Brücken dürften damit den städtischen Haushalt mit über 100 Mio Euro belasten – bei den aktuellen Baupreissteigerungen wird bis zur Umsetzung vermutlich sogar deutlich mehr fällig. Doch ist das nachhaltig? Entspricht es der Generationengerechtigkeit, an anderen Projekten zu sparen, um stattdessen mit dem Geld Brücken zu sanieren, die nach dem Klimaschutzkonzept der Stadt Fürth eigentlich überflüssig werden müssten? Welcher Verkehr soll noch über diese Brücken rollen, wenn wir doch hier gemeinsam vor einem Jahr im Stadtrat beschlossen haben, das sich der motorisierte Individualverkehr bis 2030 resp. 2035 deutlich reduzieren soll? – Und braucht es überhaupt so viele Brücken in Fürth? Die Millionenstadt Köln kommt aktuell mit sieben Brücken über den Rhein aus, München mit elf über die Isar, Erlangen gar mit drei (!) Brücken über den Kanal – Fürth hat schon alleine neun Brücken über den Kanal, weitere acht kommen für Pegnitz, Regnitz und Rednitz hinzu. Ein betriebswirtschaftlicher Weitblick zeigt, dass hier weniger deutlich mehr ist. Weniger Brücken = weniger Baukosten = weniger Unterhaltskosten. Mit dem eingesparten Geld ließen sich – ohne zusätzliche Schulden – viele Klimaschutz-Projekte in der Stadt realisieren. Nur exemplarisch: Ausbau des ÖPNV-Netzes, Ausbau des Radverkehrs, PV-Anlagen auf städtischen Gebäuden, Investitionen in den nachhaltigen Klimaschutz z.B. bei bestehenden Grünanlagen und Bäumen im Stadtgebiet usw. usf. Auch der längst überfälligen Sanierung der Berufsschule II oder des Jugendhauses Alpha 1 würde dann deutlich weniger im Weg stehen – und all das nur durch den Verzicht auf zwei Brücken.

Lassen sie mich noch ein weiteres Beispiel dafür anführen, wie eine nachhaltige Planung nicht nur Kosten spart, sondern auch einen Mehrwert für die Stadtgesellschaft bringt. 2018 wurde im Haushalt erstmals die Renovierung der Volksbücherei in der Südstadt veranschlagt und beschlossen: Kosten von 2,7 Mio Euro, davon 90 % förderfähig durch den Freistaat. Der städtische Haushalt wäre nach den damaligen Unterlagen lediglich mit 280.000 Euro belastet worden. Nur vier Jahre später finden wir heute in den Haushaltsunterlagen eine Kostenschätzung von ca. 11,3 Mio Euro. Durch die veränderte Planung von der Sanierung hin zum Neubau muss die Stadt inzwischen statt der ursprünglich 280.000 Euro nun 8,8 Mio Euro übernehmen. Und das sind nur erste Kostenschätzungen – mein Tipp läge wegen der enormen Kostensteigerungen eher bei 15 Mio Euro statt der aktuell veranschlagten 11,3 Mio Euro. Und trotzdem ist bei diesem Projekt von Krisen, leeren Kassen und Stabilisierungshilfen keine Rede. Die teuren Planungen werden weiter vorangetrieben.

Voraussetzungen können sich ändern. Umso wichtiger ist es, die Zeichen der Zeit zu erkennen, bei Schwierigkeiten nachzujustieren und die Planungen an neue Gegebenheiten anzupassen. Auch das ist verantwortungsvoller Umgang mit Steuergeldern.

Lassen sie uns deshalb – gerade in Zeiten knapper Kassen und Krisen – ergebnisoffen neue Wege gehen! Die Stadt Fürth ist im Besitz eines Grundstücks im Innenstadtbereich, das perfekt für alle Verkehrsteilnehmer*innen erschlossen ist. Die Rede ist vom ehemaligen Saturn-Gebäude. Warum sollte man hier nicht die neue Volksbücherei auf einer Etage ansiedeln – und auf der anderen Etage die Kunstgalerie, die seit langem eine neue Bleibe sucht und hier ihre Fläche verzehnfachen und mit einem Schlag alle kostspieligen Lagerprobleme lösen könnte? Das ist keine rhetorische Frage, sondern ganz ernst gemeint. Die Raumhöhen von ca. 4 m und der Baukörper geben alle Flexibilität her – und ja – das Gebäude hat nur zur Südseite Fenster. Aber diese vermeintliche Einschränkung wäre durch einen entsprechenden Umbau zu ändern. Durch die Bauweise können gut auch an den anderen Fassaden Fenster entstehen. Volksbücherei und Kunstgalerie würden sich gegenseitig befruchten und das auch noch in unmittelbarer Nähe zum Kulturforum und zur Stadthalle. Wenn wir schon 11,3 bzw. nach meiner Schätzung 15 Mio Euro ausgeben, dann doch hier in dem Bestandsgebäude auf städtischem Grund mit den entsprechenden Synergieeffekten. Nebenbei würde das auch noch das Raumproblem in der Alten Feuerwache lösen. Die Soziokultur könnte dort zusätzlich einziehen, ohne in Konkurrenz zu anderen Einrichtungen treten zu müssen. Und auch der Hans-Böckler-Schule in der Südstadt wäre damit geholfen, da sich bereits jetzt abzeichnet, dass die Raumplanungen durch die neue Mensa und die Volksbücherei extrem knapp ausfallen.

Sie sehen: es gibt genügend Handlungsspielräume – auch ohne zusätzliche Schulden. Hr. Oberbürgermeister, Sie vergleichen Fürth oft mit Prag oder Paris – zurecht! Allerdings lassen Sie uns dann aber auch bitte so mutig sein wie diese Städte – die aktuell ihre Parkplätze in der Innenstadt halbieren, die breite Chausseen für den Autoverkehr sperren und somit neue und attraktive öffentliche Lebensräume in den Innenstädten schaffen. Nur um nicht missverstanden zu werden – wir wollen aktuell nicht die Schwabacher, Nürnberger; König- oder Würzburger Straße vollständig für Autos sperren – aber die Einführung einer Umweltspur für ÖPNV und Radverkehr wäre schon einmal ein guter Anfang – auch im Sinne eines nachhaltigen Klimaschutzes durch Reduzierung des CO2- Ausstoßes.

Der Kollege Sepp Körbl sagte letztes Jahr, dass er zwar Verständnis für die Forderungen nach mehr Klimaschutz habe – aber die Kommune könne es nicht alleine richten. Und schon letztes Jahr habe ich ihm beigepflichtet und auch der Auffassung des Deutschen Städtetags, dass Klimaschutz schon längst eine kommunale Pflichtaufgabe werden müsste. Der Weltklimagipfel der Vereinten Nationen in Scharm El-Scheich ging vor kurzem sogar noch einen Schritt weiter und sieht die Städte als Schlüsselakteure in der Bewältigung der Klimakrise. Lassen sie also unsere kommunale Klimapolitik integralen Bestandteil dieser internationalen und nationalen Politik werden und seien sie deshalb heute mutig: unterstützen sie unsere Anträge für eine Verdopplung des Engagements der Stadt Fürth in Sachen Klimaschutz – auch im Sinne einer echten Generationengerechtigkeit.

Diese Rede als pdf-Datei:

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