28.6.2020 – Die „Black Lives Matter“-Bewegung hat in Folge der Tötung von George Floyd durch US-amerikanische Polizisten der Debatte um strukturellen Rassismus und tief in der Gesellschaft verankerte Protagonist*innen, die mit ihren Ideen Ungleichheit, Rassismus und Diskriminierung befeuert haben oder sich daran massiv bereichert haben, neuen Schub gegeben.
In vielen Orten in den USA wurden in den letzten Wochen Denkmäler vom Sockel gestürzt – von konföderierten Generälen, Sklavenhaltern etc. Doch das neue Bewusstsein für zu Unrecht vergebene Ehren strahlt weltweit aus: So wurde im britischen Bristol das Denkmal eines Sklavenhändlers, das dort seit 1895 zu dessen ehrendem Gedanken stand, von den Aktivist*innen in das Hafenbecken geworfen und eine lebendige Diskussion über den Umgang mit dem hochbelasteten Erbe angestoßen.
Diese internationale Bewegung hat auch in Fürth hohe Aktualität: Auch in Fürth ehren nach wie vor Straßennamen einige Personen, die sich durch ihre Unterstützung für das deutsche Kolonialreich oder das NS-Regime hervorgetan haben oder deren soziales Engagement auf Vermögen zurückgreift, das auf Diskriminierung, Raub und Mord fußt (zum Beispiel im Zuge der Arisierung).
Es soll hier nicht darum gehen, die Erinnerung an diese Persönlichkeiten auszulöschen oder Kunstwerke zu zerstören. Kriegsdenkmäler könnten beispielsweise um kommentierende Erinnerungstafeln ergänzt werden, die auch Kritik angemessen erwähnen, das Denkmal in einen größeren Zusammenhang stellen und so ein Zerrbild verhindern.
Was vor einigen Jahrzehnten als ehrwürdig galt, muss es heutzutage nicht mehr sein. Bestes Beispiel: Vor zweieinhalb Jahren wurde die Schwammbergerstraße in Fürth in Bella-Rosenkranz-Straße umbenannt. Grundlage waren die umfangreichen historischen Forschungen von GRÜNEN-Stadtrat Kamran Salimi, die die Rolle von Adolf Schwammberger als Protagonist des Nazi-Regimes im polnischen Torun zweifelsfrei klärten. Doch das kann nur der Anfang gewesen sein. Die Benennung einer Straße nach einer historischen Persönlichkeit ist eine Ehre. Die Stadt Fürth muss daher ihrer Verantwortung für die kollektive Erinnerung nachkommen und auch weitere Straßennamen auf den Prüfstand stellen, die nach umstrittenen Personen benannt sind, z.B. Hermann Löns, einen Heimatdichter ohne jeden Bezug zur Stadt Fürth, der zwar selbst den Nationalsozialismus nicht miterlebte, den die Nazis aber zu Propagandazwecken wegen seiner nationalistischen Schriften zum Vordenker erklärten. Weitere Fürther Straßennamen, die wegen ihres Zusammenhangs mit der NS-Ideologie überdacht werden sollten, sind beispielsweise Emil-Nolde-, Hermann-Glockner-, Richard-Wagner-Straße und die Tilsiter Straße.
Auf der anderen Seite wurden etliche Persönlichkeiten um die Ehre ihrer Mitwirkung an der Gestaltung unserer Stadtgesellschaft beraubt: Wie neuere Forschungen zur „Metallspende“ (https://www.fuerthwiki.de/wiki/index.php/Metallspende) im Dritten Reich zeigen, wurden zahlreiche Kunstwerke, Gedenktafeln und Büsten im Stadtgebiet demontiert, um sie zu Rüstungszwecken im Zweiten Weltkrieg einzuschmelzen. Eine Form der Wiederherstellung und Restitution hat es in den wenigsten Fällen gegeben. An den früheren Standorten gibt es keinerlei Hinweise auf die der Öffentlichkeit geraubten Kunstwerken respektive dankbare Erinnerungen an die einstigen Künstler*innen und Stifter*innen.
Durch diese Prägungen unserer städtischen Erinnerungskultur und des öffentlichen Raums entsteht ein Zerrbild für nachfolgende Generationen darüber, was Vorbilder sind. Verbrechen werden auf diese Weise vertuscht und relativiert.
Zur Sitzung des Stadtrats am 22. Juli 2020 stellen wir daher folgenden
A n t r a g :
1. Die Verwaltung prüft, welche Straßennamen in Fürth zweifelhafte Persönlichkeiten ehren und nach dem Beispiel Schwammbergerstraße umbenannt werden sollten (z.B. Hermann Löns, Emil Nolde, Hermann Glockner, Richard Wagner u.a.)
2. Die Verwaltung erstellt eine Übersicht über Kunstwerke in Fürth, die zusätzlicher Erklärungen bedürfen, um ein vorhandenes Zerrbild geradezurücken und auch Kritik angemessen zu erwähnen (z.B. Gedenktafeln).
3. Die Verwaltung sucht nach Möglichkeiten, die Erinnerung an in der NS-Zeit entfernte oder eingeschmolzene Kunstwerke, Gedenktafeln o.ä. wachzuhalten.
Ergebnis: Zur Behandlung in den Ältestenrat am 5.10.2020 verwiesen.
Dieser Antrag als pdf-Datei:
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